Kultur

Der Merkwürdige – mein Nachruf auf Götz George

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Götz George hat uns in vielen Rollen fasziniert. Auf der Bühne, im Kino und im TV. So richtig „berühmt“ wurde er jedoch als meist schlecht gelaunter Tatort-Kommissar, der gerne auch mal selbst Hand anlegte, um  Verbrechen in den Griff zu bekommen und Übeltäter unschädlich zu machen. Sicherlich hätte dieser Schimanski statt Horst auch Manni, Alex oder Otto heißen können.  Während wir bei Erik Ode oder dem „Alten“ schon in den Keller unseres Gedächtnisses hinab steigen müssen, um die Spielnamen zu ermitteln, wurde Schimanski durch den großartigen Schauspieler Götz George zu einem wirklich merkwürdigen Typen. Besonders deswegen, weil er den Zuschauern durch die Intensität seines Spiels ans Herz und oft auch an die Nieren ging. Niemand fluchte damals so heftig und deftig wie der Bulle aus dem Pott.

Mit einem ungeheuren Energiepotential und einer beneidenswerten Physis ausgestattet lebte der Sohn des damals überaus berühmten Film- und Theaterstars Heinrich George auch abseits des Spielbetriebs seinen unbedingten Willen zum Widerspruch in einem Maße aus, das hierzulande immer noch von vielen als eher störend denn als Sinn stiftend empfunden wird. Sein Leben lang vermochte George der allgegenwärtigen Gefall- und Benimmsucht zu widerstehen. Unvergesslich wie er, auf dem Sofa der Nation sitzend, einem zwischen Cornelia Harfouch und sich selbst hin und her gerissenen Thomas Gottschalk den Gehorsam verweigerte und einfach keine Lust darauf hatte, sein Projekt auf eine dümmlich-naive Art und Weise zu popularisieren, die aus ihm genau den Popanz gemacht hätte, der er nie war.

Wenn es ihm um die Sache ging, scherte er sich einen Dreck um Konventionen oder politische Korrektheit. George wollte sich weder mit den Medien noch mit der Macht über die Maßen arrangieren. Er wird früh erlebt haben, dass auch die größte Kunst im Glamourdunst von Oberflächlichkeit, Exzessen und Eitelkeit dem Niedergang geweiht ist. Zum Glück hat er nicht zu spät herausgefunden, das man sich aus all´ dem am besten heraus hält, indem man so oft wie möglich das Weite sucht.

Ganz nah kam mir Götz George 2013 in der ehemaligen Gründgens Villa in Potsdam.  In „George“ spielte ich einen ziemlich verspannten, ungebetenen Nazi, der argwöhnisch betrachtet, wie Götz in der Rolle seines Vaters Heinrich den frisch gebackenen Intendanten gibt, der im kleinen Kreis feiert und dem aufziehenden Unheil die Stirn bietet. Während er die Kunst noch über allem wähnt, wird draußen schon gezündelt und in einer Art und Weise gekeift und gepöbelt, wie es vor kurzem auch in Sachsen der Fall war, als ein verschüchtertes, weinendes Kind von Beamten unter Beifall ewig Gestriger aus einem Bus gezerrt wurde.  Wie sehr hätte man sich da einen über einen Typen wie Schimanski gefreut.

Immer im Bilde

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Drei Gedichte

Wer heutzutage das Wort “Lyrik” hört, denkt meist an etwas verstaubte Gedichte. Zu Unrecht, wie ich meine. Im Gegensatz zu den allgegenwärtigen, schnelllebigen und manchmal auch oberflächig formulierten Bloggs und Posts der Generation 2.0., kann ein exzellent verfasstes Gedicht mehr als “nur” informieren bzw. unterhalten. Ein Gedicht kann Leser auch heutzutage auf eine besondere Art und Weise verführen, entführen und berühren. Zudem können auch aktuelle Themen “lyrisch” interpretiert werden. Um zu zeigen, wie so etwas funktioniert, habe ich Euch im Anschluss drei Gedichte eingestellt, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Viel Spaß beim Lesen. Auf Anfage greife ich auch für Auftragsgedichte zur Feder. Ganz egal, ob es um die ganz, ganz große Liebe, ein neues Produkt oder ein besonderes Event geht. In jedem Fall wird dem Auftraggeber besondere Aufmerksamkeit zuteil. Wie sagte schon Johann Wolfgang von Goethe? “Frei will ich sein im Denken und im Dichten; im Handeln schränkt die Welt genug uns ein”!

 

Einer von Sechsen

Als einer von Sechsen kommt er zur Welt,
will heraus aus der Masse und tun was gefällt,,
die Grande Nation begeistert er bald
„Je t´aime“ rufen sie – ob jung oder alt.

Erst den Cyrano, dann Obelix,
der Kerl spielt sie alle, da kennt er nix.
Auch 1492 erste Wahl,
entdeckt er mit uns die Welt noch einmal.
Schnell wird aus ihm ein Kinostar
und ich fand ihn wirklich wunderbar.

Weltweit beliebt und sehr respektiert,
war man auch nur leicht irritiert
als er ins Flugzeug uriniert,
da er doch musste, sogar fragte
was eine „Schubse“ zu verneinen wagte.

Selbst als er schwerstbetrunken rollert,
stürzt, pöbelt, einem Landsmann eine donnert,
denkt sich die Mehrheit insgeheim,
so ist der halt, so darf der sein.

Doch trotz Palais, Millionen und eigenem Wein
will er nicht recht zufrieden sein.
So zieht es ihn nach Belgistan
denn „Hollande“ kann er ja „nit verstaan“,
Voilà – französisch sprechen sie dort auch
und trunken fahren ist da Brauch.
Allein, auch das reicht ihm noch nicht,
nun spuckt er der Heimat erneut ins Gesicht.
Anscheinend völlig egotrunken
hat er verloren diesen Funken,
dieses unsichtbare Element,
das man gemeinhin Würde nennt.

Eingepresst in Russentracht
wird er von Frauen ausgelacht,
die sich wahrscheinlich einfach denken
wie kann der Mann sich so verrenken?
Warum nur beugt ein großer Künstler ohne Not
sein Haupt vorm Zaren, pardon Despot?
Um schnöden Mammon zu bewahren
lässt er den letzten Anstand fahren.

Als einer von sechs kam er hier an,
geblieben ist ein fetter, reicher bedauernswerter alter Mann.

 

Sansibar

Wo der Wind die Welle treibt
wo sich Gestein zu Sand verreibt.
Wo sich die Düne sanft verliert,
wo klare Luft Dich inspiriert.

Wo alles kann und nichts sein muss,
Freiheit, Freunde, Überfluss.
Wo alles scheint im Wechselspiel,
von Nichts zu wenig, von Nichts zuviel.

Da liegt versteckt an einem langen, breiten Strand
ein Ort des Glücks auf meerumspültem Land.
Hier findest Du Gelassenheit
bei gutem Wein und Heiterkeit

Ach könnt´ ich doch nur jedes Jahr
nach Sylt in meine Sansibar.

 

Bedeutend, nicht betäubend. Ein Nachruf auf Marcel Reich Ranicki

Die Zeit ist um, ich bin betroffen, Marcel ist tot, auf wen soll man jetzt hoffen?

Wie oft hat er mich begeistert. Für mich war MRR immer dann am besten, wenn man ihn hören und sehen konnte. Wie oft bin ich wach geblieben, um live zu erleben, wie er zu später Stunde beim „Literarischen Quartett“ in allererster Reihe saß und sein Team aufmischte.

Sein bestes Bonmot gab er allerdings in einem TV-Format, das nicht gerade bekannt dafür ist, in die Tiefe zu gehen. Er war bei „Wetten, dass?“ zu Gast. Stefan Raab hatte gerade mit „Wadde hadde dudde da?“ debütiert und nachdem sich der verstörende Applaus endlich gelegt hatte, fragte Thomas Gottschalk einen etwas ratlos und skeptisch dreinschauenden MRR, ob es ihm denn gefallen hätte. Und während ich mich schon im Tunnel des Fremdschämens befand, antwortete dieser große Geist auf die erdenklich trivialste und genialste Art und Weise.

Er rettete sich nicht in ein bildungsbürgerliches „de gustibus non disputandum est“. Er bemühte keinen Euphemismus, um sich aus Affäre zu ziehen. Auch ging er nicht nonchalant hinweg über diese gedankenlos vorgetragene Beleidigung seiner Intelligenz. Er widerstand dem systemrelevanten Reflex des sofortigen Antwortens ohne vorher nachgedacht zu haben, indem er kurz innehielt und reflektierte.

„Ach wissen sie, Herr Gottschalk“ hob er schließlich an und wiegte seinen Kopf so, wie wir es auch von Peter Scholl Latour oder Helmut Schmidt kennen, wenn sie auf Fragen antworten sollen, die eigentlich keiner Beantwortung bedürfen. „Wissen Sie, was soll ich halten von einer Kunst, die die Betäubung des Publikums voraus setzt?“

Die Zeit ist um, wir sind betroffen, der Vorhang fällt und alle Fragen offen. Danke, verehrter Marcel-Reich Ranicki für Antworten, die mich sprachlos vor Staunen zurück ließen.

 

Rote Teufel

Morgens die Ersten im pulvrigen Schnee,
lassen wir Sorgen und Nöte zurück,
trinken Rum im Becher mit glühendem Tee
und führen Gäste auf Skiern zum Glück.

Bei Kälte und Eis, dem Himmel ganz nah,
reizt uns der Wechsel von Schatten und Licht,
nirgends sonst strahlt das Blau so klar,
nirgends sonst ist der Nebel so dicht.

Auf steilen Hängen hoch überm Meer
ziehen wir Spuren mit Kanten aus Stahl
und ist der Aufstieg auch mühsam und schwer
jauchzen wir seelig bei der Abfahrt ins Tal.

Wirklich frei sind wir erst, wenn die andern ermatten
fahren wieder hinauf, sehen wie die Sonne erlischt,
steigen im Mondlicht auf glänzende Latten
und schwingen berauscht durch kristallene Gischt.

Die goldene Gams auf rotem Gewand
ziert unser Wappen als Teufel am Berg,
die schönsten Gipfel im Tiroler Land
bilden den Rahmen für unser sportliches Werk.

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