Roter Teufel (Letzter Teil) – Mein Leben zwischen Himmel und Hölle

DSC_7960-1Während sich die anderen weit unten formieren, fahren wir gegen 17 Uhr mit der Hahnenkammbahn auffi. Der Zufall will es, dass ich zusammen mit einem jungen englischen Erstspringer namens Bruno die Toni Sailer Gondel mit der Nr. 1 erwische. Wir betrachten das als gutes Omen. Oben angekommen geht’s in die Hockeckhütte, die sich etwas versteckt wenige Meter oberhalb der Mausefalle befindet. Man hat von dort eine faszinierende Aussicht auf das tief unten glitzernde Kitzbühel. Der Besitzer Hocheck-Peter und sein kongenialer Maitre de Plaisier Franz verstehen sich auf eine Gastlichkeit, wie sie nur noch selten anzutreffen ist. Wer nicht gerade am Horn oder in Passthurn unterwegs ist, nimmt seine Jause am liebsten dort zu sich. Doch an diesem Abend haben die meisten keinen großen Appetit. Ich wähle eine Gulaschsuppe und trinke ein Radler. Daniel Cheffi Scheffknecht, ein junger muskelbepackter Rennläufer aus Tirol, bekämpft die aufkommende Nervosität mit einer Halben und Obstler.

Gegen 18 Uhr kommt das Kommando zum Aufbruch. Draußen ist es stockdunkel und eine Nebeldecke macht das Tal unsichtbar. Während ich noch darüber nachdenke, wie wir die zwei Kilometer bis zur Fackelausgabe in der Finsternis wohl bewältigen werden, geht es schon los. In kurzen Abständen fegen wir mit Carvingschwüngen ohne Stöcke die erste Teilstrecke hinunter. Andi fährt voraus. Er kennt die Strecke blind. Ich bin hin und weg, gehe tief in die Knie und empfinde eine nie erlebte Euphorie. Wenn es beim Tauchen einen Tiefenrausch gibt, dann ist das hier definitiv der Höhenrausch! Zum Glück sind die Schneeverhältnisse optimal. Die Kanten greifen, die Piste ist perfekt präpariert und alles geht gut. Kurz nach Durchstoßen der Nebeldecke kommen wir in einem Steilhang am Waldesrand zum Stillstand. Ich keuche und kann kaum glauben, wie wir gerade quasi blindlings abbi gefahren sind. Tief unten sehen wir die Lichter im Zielraum und nehmen den Lärm der

Menschen nur als undefinierbares Rauschen wahr. Andi verteilt die Fackeln und erklärt das Procedere. Nach Entzünden der Fackeln sollen wir möglichst synchron hinab schwingen bis wir an einer hell erleuchteten Stelle in Schleichfahrt die Fackel abwerfen müssen, um direkt darauf nonstop den Runway Richtung Rampe anzusteuern. Jetzt packt mich die Angst. War ich doch fest davon ausgegangen, dass wir vor dem Sprung noch einmal abschwingen und Atem holen dürfen. Viele von uns steigen aus der Bindung und produzieren Yellow Snow. Manche sind stumm, andere reißen Witze oder nesteln nervös an den Schnallen ihrer Schuhe herum. Zu allem Überfluss klingelt mein Handy. Nervös fingere ich es aus der linken Brusttasche und höre die Stimme meines guten Freundes Richi, der mir Neujahrsgrüße aus Berlin übermitteln will. Ich erkläre ihm mit wenigen Worten und heiserer Stimme, dass ich mitten auf der Streif stehe gleich durchs Feuer hupfen werde. Er ist auch begeisterter Skifahrer und checkt die Situation sofort. Er wünscht mir viel Glück und ich spüre, wie gerne er jetzt dabei wäre.

Die Zeit zieht sich. Immer wieder schnarrt die Stimme von Ernst aus dem Funkgerät. Er steht unten und koordiniert das Geschehen, während ein Moderator die Stimmung der Massen anheizt. Noch fünf Minuten. Fertigmachen zur Feuerfahrt. Doch bevor Andi die Fackeln per Gaskartusche entzündet, entnimmt er seinem Rucksack noch 17 kleine Fläschchen Jägermeister und verteilt sie. Nach einem dreifach brüllenden Skiheil kippen wir sie eini. Ich bekomme eine respektable Gänsehaut und spüre die Einmaligkeit dieses Moments.

Dann geht alles sehr schnell. Alle Fackeln funktionieren und wir setzen uns hochkonzentriert in Bewegung. Ich fühle mich besser, da die Fackeln die Szenerie gespenstisch erleuchten und man jetzt wenigstens einigermaßen sehen kann, wohin man fährt. Fünf rote Teufel schwingen vor mir und elf habe ich im Rücken. 200 Meter tiefer haut es den vor mir fahrenden Kollegen aus den Skiern. Ich höre das Klicken der auslösenden Bindungen, während ich an dem Stürzenden vorbeidrifte. Die Fackelabwurfstelle kommt in Sichtweite und der Lärm der Zuschauer im Zielraum schwillt an. Wie automatisch lasse ich die Fackel fallen, schwinge ein letztes Mal und schieße in Falllinie auf die rechts und links durch Fackelträger erleuchtete Runway zu. Was für ein Bild. Rudi Sailer hatte Recht. Man sieht wirklich nur das lodernde Feuer und kann die Rampe nur erahnen. Ein paar Sekunden später springe ich durch die mannshohen Flammen und lande sicher unter dem Jubel der Zuschauer, die sich dicht hinter den Absperrungen drängen. Sofort gehe ich in die Hocke und beobachte fasziniert die in schneller Abfolge springenden Kollegen. Einige von ihnen setzen noch eins drauf. Sie reißen im Sprung ihre Ski auseinander oder drehen sich vor der Landung noch einmal um die eigene Achse. Einem Snowboarder der Roten Teufel wird ob seiner artistischen Einlage besonderer Applaus zuteil.

Ich glühe, und meine Herz pocht immer noch wie wild. Glückshormone überschwemmen meinen Körper. Sogar dem zwischenzeitlich gestürzten Roten Teufel gelingt sein Sprung, wenn auch mit einiger Verspätung. Alle sind durchgekommen und kein Hupfer ist gegrillt worden. Das anschließende, ungefähr 20 Minuten währende und mit Musik untermalte phantastische Feuerwerk, erlebe ich wie in Trance. Jetzt bin ich wirklich ein Roter Teufel und schwöre mir, dass ich am ersten Jänner 2011 wieder dabei bin. So wahr mir Gott helfe.

Apropos Gott. Wer heute als Ski- oder Snowboardlehrer in den touristischen Hochburgen der Alpen diese Hochrisikosportarten betreibt, braucht einen guten Schutzengel. Denn während sich der durchschnittliche Skitourist nur ein paar Tage auf den Pisten bewegt, müssen wir jeden Tag ran. Bei einer solchen Verweildauer auf oft überfüllten Pisten kommt es bei einigen von uns früher oder später zum Crash. Viele verzichten zudem schon mal auf den freien Tag pro Woche und arbeiten in den zwei hoch frequentierten Monaten Januar und Februar durch. Wir kennen weder hitze- noch kältefrei und fahren immer. Ob ́s stürmt, schneit, friert, hagelt oder regnet. Bei schlechter und bei bester Sicht. Übrigens ist Letzteres gefährlicher. Denn, wenn die Sonne besonders brennt, brennen bei vielen Touristen die letzten Sicherungen durch. Vermeintlich geschützt durch Helm und Protektoren an Rücken, Brust, Schienbeinen und Knien, rasen junge Menschen auf Hightech Sportgeräten, die sie nicht wirklich kontrollieren können über die Pisten. Befeuert von Jagertee, Obstler oder Tequilla, um das Schlafdefizit des Vorabends auszugleichen. Keine Woche vergeht ohne near missings, also Beinahezusammenstöße mit durchgeknallten Rasern. 1996 hat es mich erwischt. Auf der Gran Risa in den Dolomiten. Ein Freund hatte die Kontrolle über seine Ski verloren und mich bei voller Fahrt gerammt. Während meines Fluges in den Steilhang erwischte mich die Stahlkante eines Ski und schlitzte mir das Gesicht vom Mund bis hin zur Nase auf. Hinzu kamen Kieferschäden, Zahnverlust, 4 gebrochene Rippen und ein Lungenriss. Eine schnelle Bergung mit Abtransport im Heli und geniale Chirurgen im Bozener Universitätsklinikum retteten mir damals das Leben. Bis heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn es auf der Piste eng wird. In den 30 Tagen, die ich jetzt hier bin, hat es vier von uns erwischt. Drei mal haben jugendliche Snowboarder Kollegen aus dem toten Winkel heraus umgemäht. Christine liegt noch immer mit komplizierten Brüchen und Lungenquetschung im Spital. Nur Archie, ein cooler achtzehnjähriger Schotte, der schon den argentinischen Skilehrerschein in der Tasche hat, ist selber schuld. Er bricht sich an seinem freien Tag beim Offroadfahren in unbekanntem Terrain den rechten Knöchel. Selten hat der Spruch dumm gelaufen so gut gepasst.

Zwei Schreckenszenarien verfolgen jeden Skilehrer bei der Ausübung seiner Tätigkeit. An erster Stelle rangiert natürlich der Unfall. Ganz egal, ob man schuld ist oder nicht. Ein wohlmöglich schwer verletzter Gast ist ein absolutes no go. Es gibt Skilehrer, die nach einem solchen Erlebnis die Schuhe an den berühmten Nagel hängen. Direkt danach kommt der Verlust von einem oder gar mehreren Schülern. Das geht schneller als man denkt. Es empfiehlt sich also an jeder Kreuzung oder Abbiegung zu warten und durchzuzählen.

Bislang sind meine Schüler von Verletzungen verschont geblieben. Allerdings musste ich zwischenzeitlich den Verlust eines Schülers verkraften.

Vulva, hieß dieser 16jährige hoch aufgeschossene und milchgesichtige Springinsfeld, der zusammen mit seinen Eltern aus Moskau angereist war. Durch die plötzliche Krankheit eines Kollegen musste ich einspringen und Nick, einem sportlichen, intelligenten 54(!)- jährigen Briten, den ich schon während der Ausbildung schätzen gelernt habe, zur Seite stehen. Während er mit den Eltern und Vulvas Schwesterchen Natascha gemütlich Sightseeing fährt, bin ich dazu auserkoren, Vulva zu begleiten. Viel mehr ist auch nicht drin. Denn Vulva fährt wie ein Mensch, der von klein an auf racen gelernt hatte und vollkommen angst- wie auch schmerzfrei ist. Der erkrankte Kollege war wohl ähnlich veranlagt und gute 30 Jahre jünger als ich. Vulva rast los und ich habe Mühe ihm zu folgen. Wie die meisten Russen legt er keinen Wert auf Unterricht. Er will einfach jemanden, mit dem er um die Wette fahren kann. Als Ziel hat er den so genannten Funpark vorgeschlagen, der sich im weit entfernten Jochberg befindet. Ich bin noch nie da gewesen und nutze die Zeit im Sessellift, um die Route dorthin ausfindig zu machen.

Als wir dort ankommen, stockt mir der Atem. Denn die Hauptattraktion der Anlage sind drei riesige in einander übergehende Halfpipes. Ohne Zögern fährt Vulva auf das ca. 3,50 Meter hohe Podest. Ich folge ihm und hoffe, dass er sich das Ganze angesichts der Furcht erregenden Perspektive noch einmal überlegt. Schließlich haben wir beide keine extrem kurzen Twin Tips unter den Füßen. Ich will nicht als Hasenfuß vor meinem Schüler da stehen, nehme allen Mut zusammen und stürze mich in die erste Halfpipe. Obwohl es nur ein paar Meter Durchmesser sind, ist der Katapulteffekt nach dem Auffifoahrn extrem. Ich schleudere unkontrolliert in die Höhe und bin überglücklich, als ich wie durch ein Wunder auf dem Scheitelpunkt der zweiten Pipe zum Stehen komme. Mein Blick geht zurück. Vulva stößt sich ab, schleudert in hohem Bogen an mir vorbei auf die dritte Pipe zu. Dermaßen aufgeschaukelt haut es ihn aus der dritten Welle wie einen Sputnik in die Höhe. Es folgt ein weiter Flug, der sein unrühmliches Ende in dem gut zwanzig Meter entfernten Fangzaun findet. Wie eine Spinne im Netz bleibt er regungslos im orangeroten Kunststoffgeflecht

liegen. Als ich dort ankomme, bin ich auf das Schlimmste gefasst. Doch Vulva erhebt sich, schüttelt sich kurz, lacht mich an und fährt schon wieder weiter Richtung Lift. Zum Glück lässt er es dabei bewenden und wir steuern die nächste schwarze Piste an. Ich sehne das Unterrichtsende herbei und falle Abends fix und fertig in meine Heia. Einen Tag noch und dann bin ich diesen Kamikazefahrer los!

Am nächsten Morgen ist Vulva wie ausgewechselt. Schon im ersten Sessellift schläft er, den Kopf auf den Schutzbügel gebettet, vor Erschöpfung ein. Ich weiß nicht, was er letzte Nacht getrieben hat, aber ich bin alles andere als unglücklich über diesen unerwarteten Schwächeanfall meines „Schülers“. Schon nach einer halben Stunde bittet er mich um einen break und wir steuern eine Hütte an. Mit verschwörerischer Miene kramt er aus seinem Bogneranorak eine Packung Zigaretten hervor, flüstert secret und setzt den Zeigefinger vor seine Lippen. Ich nicke und freue mich auf die Zigarettenpause.

Nachdem wir uns wieder in Bewegung gesetzt haben, wähle ich eine mittelschwere Abfahrt auf dem Pengelstein. Diesmal ist es Vulva, der Mühe hat mir zu folgen. Ich genieße das Gefühl, ihn endlich im Griff zu haben und lege noch einen Zahn zu. Als ich mich zwischendurch routinemäßig nach ihm umschaue, ist er verschwunden. Ich warte. Und warte und warte. Als er nach einer gefühlten Ewigkeit immer noch nicht um die Ecke kommt, ist mein erster GAU als Skilehrer perfekt. Mir bleibt nichts anderes übrig als zur nächsten Station abzufahren und über mein Skilehrerlehrerhandy Nick zu verständigen, der mit dem Rest der Familie unterwegs ist. Ich erkläre ihm kurz die Situation und nenne ihm meinen aktuellen Standort. Kurze Zeit später ist er mit seiner Truppe zur Stelle. Vulvas Vater würdigt mich keines Blickes, nimmt über sein Handy Verbindung mit seinem verlorenen Sohn auf und gibt ihm unsere Position durch. Nachdem Vulva wieder zu uns gestoßen ist, erklärt er die Situation. Nach einem Sturz hat er mich aus den Augen verloren und ist an der nächsten Kreuzung schlicht und einfach falsch abgebogen. Ich bin froh, dass mein Fauxpas keine ernsthaften Konsequenzen zeitigt und schwöre mir, nie wieder einen Gast aus den Augen zu verlieren. Natürlich erhalte ich keine Kopeke Trinkgeld, während Nick reichlich bedacht wird.

Das Thema Trinkgeld ist gerade für die so genannten Anwärter von eminenter Bedeutung. Denn die reguläre Entlohnung ist alles andere als üppig. So ist man froh, wenn man sein Budget per Tipp aufbessern kann. Doch auch das will gelernt sein. Ich habe mich zwischenzeitlich darauf spezialisiert, meinen Gästen einen tout comfort zu bieten. Zu diesem Zweck packe ich bei gutem Wetter grundsätzlich meine schwere Nikon D 300 in den Rucksack und fotografiere meine Gäste in traumhafter Umgebung. Zudem biete ich eine Videoanalyse an. Schließlich lernen die Schüler am besten, wenn sie mit eigenen Augen

sehen, dass die Schulter falsch steht oder sie mit zuviel Rücklage unterwegs sind. Ein Skilehrer sollte sich nach meiner Auffassung auch nicht zu fein sein, einer erschöpften Dame die Ski zu tragen oder per Stock bei langen Ziehwegen oder Anstiegen Abschleppdienste zu leisten. Trotzdem. Man kann sich noch so bemühen. Trinkgeld zu bekommen ist reiner Zufall und von vielen Faktoren abhängig. So habe ich mir angewöhnt, grundsätzlich nicht mit einem Extrasalär zu rechnen. Schließlich ist Privat- oder Gruppenunterricht bei den Roten Teufeln nicht billig, aber auf jeden Fall seinen Preis wert. Außerdem ist die Freude über einen unerwarteten Zusatzverdienst dann um so größer.

Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl für Gäste, die per se spendabel sind und für diejenigen, die einen Igel in der Tasche spazieren fahren. Es gibt auch ein internes Nationenranking. Besonders generös sind Russen, dicht gefolgt von Österreichern und Deutschen, wobei die Schwaben hier eine Ausnahme bilden. Fast alle Gäste spendieren ihrem Instructor das Mittagessen und auch beim gemeinsamen Aprés Ski müssen wir selten die Brieftasche zücken. Doch die beste aller Entlohnungen ist die Freude über sichtbare Fortschritte und der herzliche, aufrichtige Dank beim Abschied.

Die schönsten Momente im Rahmen meiner Lehrtätigkeit am Berg habe ich einer sehr hübschen 13jährigen Anfängerin namens Annabelle aus Berlin zu verdanken. Während ihr Vater und die ältere Schwester einwandfrei Ski fahren, ist es für sie das allererste Mal. Entsprechend verhalten will sie die Sache angehen. Zudem ist sie zierlich gebaut und hat wie die meisten, die nicht das Glück hatten von klein auf diese vielleicht schönste aller Sportarten zu erlernen, schlicht und einfach Angst vor den rutschenden Dingern. Das A und O im Unterrichten von Anfängern besteht deshalb auch darin, dieser Angst vom ersten Moment an die Grundlage zu entziehen und Freude am Gleiten zu vermitteln. Mut machen heißt die Devise. Du willst, du kannst und es ist viel einfacher als Du denkst. Geschwindigkeit ist dein Freund. Je langsamer, umso schwieriger. Der Schnee ist weich. Lass dich fallen! Nach dem Erklären und Demonstrieren der Basics – hier ist weniger tatsächlich mehr – kommt es auf einer minimal geneigten Fläche zum ersten Erfolgserlebnis. Sie meistert auf Anhieb eine kontrollierte „Schussfahrt“. Hüftbreite parallele Skistellung, leicht nach vorne gebeugt und tief in den Knien. Sie strahlt übers ganze Gesicht. Nur zwei Stunden später meistert meine talentierte Anfängerin ihren ersten Aufstieg per Ankerlift und kurvt, beobachtet vom stolzen Herrn Papa, kontrolliert den Hang hinunter. Als wir uns vier Tage später verabschieden, ist aus der unsicheren Novizin aus dem Flachland eine selbstbewusste Skifahrerin geworden, die fortan bestimmt alles dafür geben wird, mindestens einmal im Jahr über den Dingen zu stehen und höchstes Glück zu empfinden.

An dieser Stelle einen Empfehlung an alle skibegeisterten Eltern, die ihren Sprösslingen das Skifoahn höchstpersönlich beibringen wollen. Egal wie gut ihr fahren könnt, gönnt Eurem Nachwuchs einen Skilehrer. Schon deswegen, weil es in der Natur der Sache liegt, dass Kinder von „Fremden“ eher etwas annehmen und sich leichter tun, Empfehlungen oder Anweisungen zu respektieren. Zudem sind gute Skifahrer nicht zwangsläufig gute Skilehrer, auch wenn sie sich das gerne einbilden. Nur Ausbildung schützt vor Einbildung! Ich kenne genug Fälle von ehrgeizigen Müttern oder Vätern, die ihren eigentlich aufgeschlossenen und unvoreingenommenen Kindern binnen Stunden die natürliche Begeisterung für das Skifahren gründlich ausgetrieben haben. Wer es dennoch versuchen will, dem sei nachfolgender Ratschlag ans Herz gelegt: Nehmt Eure Kinder niemals zwischen die Beine und vergesst Apparaturen, in denen die Kids eingezäumt wie Ackergäule an der langen Leine gehalten werden. Das Urvertrauen muss selbst erworben werden. Von der sanft geneigten Mulde mit Gegenhang über den ersten Hügel zum Berg. Immer step by step. Nur so werden kleine Anfänger mit der Zeit zu großen Könnern.

Ende Februar. Meine letzte Woche ist angebrochen und mein linker Fuß hat sich nach sieben durchgearbeiteten Tagen so eindrucksvoll zurück gemeldet, dass ich notgedrungen zwei Tage Pause einlegen muss und Elvira Wallner, unserer kaufmännischen Direktorin, meine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung überreiche. Die Zeit nutze ich, um hoch oben auf der Hocheckhütte sitzend, meine Reportage zu Ende zu schreiben. Ich beneide alle Kollegen, die den weißen Rausch bis zum Saisonende ausleben können. Andererseits freue ich mich auf meinen kleinen Sohn Felix, meinen „zweiten“ Beruf und natürlich auf meine nächste Saison in Kitzbühel. Zwischenzeitlich hatte ich neben den schon erwähnten Gästen noch eine famose Familie aus Athen, Constantin, einen 6jährigen Wunderläufer aus Wien, drei Damen aus Frankfurt am Main und zum Abschluss eine ganze Woche drei junge Buben von der schwäbischen Alp. Jochen, Martin und Christoph hießen diese Schwabenpfeile, die mich in ihrer Begeisterung für den Skisport an meine eigenen Anfänge erinnerten. Das einzige Problem bestand darin, sie zu verstehen, denn sie schwäbelten drauf los wie ihre Gosch gewachsen war.

Abschließend noch ein Wort zum Image unserer Zunft. Der geschätzte Leser möge mir nachsehen, dass ich mich diesbezüglich in erster Linie mit dem männlichen Exemplar des Skilehrers auseinandersetze. Denn auch diese ehemals maskuline Domäne ist längst perdu und auf zwei männliche kommt mittlerweile mindestens eine weibliche Teufelin. Das „schwache Geschlecht“ macht also immer mehr Boden gut und die Damen stehen uns Männern in punkto Können, Charme und Selbstbewusstsein in nichts nach.

Aber natürlich gibt es ihn noch. Den Prototypen des Skilehrers, der überzeugend jedes Klischee bedient. Trinkfest, bergerfahren, braungebrannt, bärenstark und immer auf der Jagd nach dem nächsten Skihaserl. Doch es sind auch immer mehr junge, aufgeschlossene und intelligente Menschen aus aller Herren Länder, denen es einen wahrhaft teuflischen Spaß bereitet, ihre Mitmenschen für etwas zu begeistern, was uns alle eint: Nämlich die Alpen, eine der schönsten Launen der Schöpfung, auf ganz besondere Art und Weise erfahren zu können und dabei elementare Werte wie Mut, Respekt, Harmonie, Verantwortung, Liebe und Leistung vorbildlich zu vermitteln. Schließlich ist Skifoan des leibanste, was ma si nur vorsteuin ko‘.

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